Tierwohl Pferd

Verhaltensweisen

Sozial- Komfortverhalten

Das Leben in der Herde ist für das Beutetier Pferd überlebenswichtig, allein auf sich gestellt würde es in freier Wildbahn schnell einem Raubtier zum Opfer fallen. Ein erholsames Ruhen oder gar Tiefschlafphasen wären höchst riskant, das Fressen mit ständiger Angst vor Fressfeinden begleitet und alle anderen sozialen Bedürfnisse, wie der Kontakt zu Artgenossen, zum Spielen und zur sozialen Fellpflege, fielen ganz weg.

Fressverhalten

Bis zu 16 Stunden des Tages, mit gesenktem Kopf und leichter Fortbewegung im Schritt. Fresspausen von max. 4 Stunden, denn es produziert ständig Gallenflüssigkeit und hat als Fluchttier nur einen kleinen Magen.

Ruheverhalten

Ungefähr 8 Stunden des Tages: Ruhen und Dösen. Davon 80% im Stehen. Es macht viele kurze Ruhephasen, meist mit einer Dauer von etwa 20 Minuten, in der Nacht häufen sie sich. Es schätzt eine gute Rundumsicht.

Haltungsformen

Offenlaufstallhaltung

Die Pferde stehen in einer Herde. Sie haben eine gemeinsame überdachte Liegefläche (z. B. einen Unterstand) und einen ständig zugänglichen Auslauf. Sie halten sich dort auf, wo sie es gerade wollen. Bei Einhaltung des Positionspapieres zu den Leitlinien (siehe unten) und in Kombination mit einem Paddocktrail, entspricht diese Haltungsform am ehesten einer wesens- und artgerechte Pferdehaltung.

Paddock-Trail

Ein Paddocktrail ist ein Wegenetz, in dem die unterschiedlichen Funktionsbereiche, wie Laufen, Fressen und Ruhen, voneinander entfernt angeordnet werden. Dadurch wird das Pferd animiert sich zu bewegen. Eine Art Rundwanderweg für Pferde.

Boxenhaltung

Pferde werden einzeln in einer Box gehalten. Eventuell mit davorliegendem Einzelpaddock. Aufgrund oben und unten beschriebener Grundbedürfnisse kann eine reine Boxenhaltung nicht einer wesens- und artgerechte Pferdehaltung entsprechen.

Ethologie des Pferdes

Leitlinien Pferdehaltung

Da Pferde angeborenermaßen im Sozialverbund mit Artgenossen leben, ist das Halten eines einzelnen Pferdes ohne Artgenossen (Alleinhaltung) tierschutzwidrig.

Artgemäß sind Sicht-, Hör- und Geruchskontakt sowie Körperkontakt. Da Pferde ein ausgeprägtes Erkundungs- und Neugierverhalten haben, sollten sie auch am Geschehen im Haltungsumfeld teilhaben können.

Das angeborene Verhalten und der Verdauungsapparat des Pferdes sind auf eine kontinuierliche Nahrungsaufnahme eingestellt. Bei der Haltung durch den Menschen dient die Futteraufnahme nicht der Ernährung allein, sondern auch der Beschäftigung. Den Pferden muss genügend Zeit und Ruhe zum Fressen zur Verfügung stehen. Es gehört zum Normalverhalten von Pferden in Gruppen zu fressen.

Unter natürlichen Bedingungen bewegen sich Pferde im Sozialverband bis zu 16 Stunden täglich. Dabei ist die Fortbewegung überwiegend zweckgebunden (Futter-/Wasseraufnahme, soziale Kontakte, Aufsuchen von Witterungsschutz und Ruheplätzen) und findet größtenteils in ruhiger Gangart statt. Pferde benötigen nicht nur ausreichend groß bemessene galoppierfähige Auslaufflächen, sondern auch adäquate Bewegungsanreize, wie zum Beispiel Sozialpartner und/oder Trennung in Funktionsbereiche.

Arttypisch für das Fluchttier Pferd sind mehrere Ruhephasen über den 24-Stunden-Tag verteilt. Ausgewachsene Pferde ruhen etwa 6 – 9 Stunden im Verlauf des 24-Stunden-Tages, davon ca. 80 % im Stehen.

Pferde als evolutionäre Fluchttiere bevorzugen Liegeplätze, die eine gute Übersicht bieten sowie einen Untergrund, der trocken und verformbar ist. Sie verfügen als evolutionäre Steppentiere über hervorragende angeborene Thermoregulationsmechanismen. Wechselnde Witterungseinflüsse dienen dem Training der Thermoregulation und sind für die Gesunderhaltung von großer Bedeutung.

Das arttypische Komfortverhalten des Pferdes sollte durch die Haltungsbedingungen so wenig wie möglich eingeschränkt werden. Dazu zählen Verhaltensweisen wie Wälzen, Scheuern, Kratzen mit den Hinterhufen, Selbstbeknabbern sowie gegenseitige Fellpflege. Aus diesem Grund sollten Einrichtungen zur Ausübung des Komfortverhaltens im Haltungssystem integriert sein (z.B. Scheuermöglichkeiten, Wälzplatz).

Als Richtwert kann eine Luftgeschwindigkeit von mindestens 0,2 m/s angesehen werden. Ganz- oder großflächig auf den Körper auftreffende Luftströmung ist für das Pferd keine Zugluft, auch wenn sie vom Menschen als solche empfunden wird.

Bei Gruppenhaltung in einem Stallgebäude mit ständig zugänglichem direkt angrenzendem Auslauf im Freien und Unterteilung der Fläche in Funktionsbereiche (z.B. Lauf-, Fress- und Ruhebereich) sind bei größeren Pferdegruppen mehrere kleine Unterstände einem großen Unterstand vorzuziehen. Auch rangniedrige Tiere müssen stets Zugang zum Witterungsschutz haben. Unter natürlichen Bedingungen meiden Pferde arttypischerweise tiefgründigen Morast.

Auszug aus:

„Positionspapier zu den Leitlinien zur Beurteilung von Pferdehaltungen unter Tierschutzgesichtspunkten“ (BMEL 2009) Februar 2022

Tierärztliche Vereinigung für Tierschutz e.V.

Arbeitskreis Pferde